Was treibt das Verhalten von Lebewesen an?
Wenn die körperliche Veränderung durch ein vorausgehendes Verhalten erzeugt wurde, stellt sich natürlich die Frage: Wie kam es zu diesem Verhalten? Im Fall meiner Getreide-Unverträglichkeit war es die Idee "Getreide ist ungesund", die ich von einem Bekannten übernommen hatte. Die Idee "Getreide ist ungesund" führte zu dem Verhalten, auf Getreideprodukte verzichten zu wollen.
Gleichzeitig gab es aber noch ein konkurrierendes zweites Verhalten: Mein Appetit setzte sich immer wieder durch und erreichte, dass ich entgegen aller "guten Vorsätze" Getreideprodukte zu mir nahm.
Es gab also zwei konkurrierende Verhaltensweisen, die von zwei verschiedenen Arten von Antrieb hervorgerufen wurden:
- Verhalten 1: Verzicht auf Getreideprodukte, angetrieben von der Idee "Getreide ist ungesund". Die Idee ist Teil der Weltsicht. Die Weltsicht stellt eine Art Regelsystem dar, auf dessen Grundlage der rationale Verstand Entscheidungen über das Verhalten zu treffen versucht.
- Verhalten 2: Nahrungsaufnahme von Getreideprodukten, angetrieben vom Appetit
Damit kommen wir zur Klärung der Frage, die ich als eine der wichtigsten Fragen der Existenz bezeichnet hatte: Was treibt das Verhalten von Lebewesen an?
Beim Menschen gibt es offensichtlich mindestens 2 Verhaltensantriebe, die auch zueinander in Widerspruch geraten können:
- Den rationalen Verstand, der auf der Grundlage der Weltsicht Verhaltensentscheidungen zu treffen versucht
- Einen zweiten Antrieb, für den es noch keinen gängigen Namen gibt, weil er nicht wirklich klar gesehen wird. Der Appetit ist ein Aspekt dieses Verhaltensantriebs. Man könnte ihn als "Instinkt" bezeichnen. Allerdings ist der Instinkt eher nur genau wie der Appetit ein weiterer Teilaspekt davon. Bezeichnen wir diesen zweiten Verhaltensantrieb deshalb vorerst einfach mal als "instinktiven Verhaltensantrieb".
Einer der ganz zentralen und grundlegenden Irrtümer der Wissenschaft ist es, diesen zweiten Verhaltensantrieb entweder gar nicht zu beachten oder wenn, dann in seiner Bedeutung völlig falsch einzuschätzen. Mit der Wissenschaft eng verbunden ist der Anspruch, dass das menschliche Verhalten vollständig rational vom Verstand steuerbar sein müsse und das ist es aber ganz und gar nicht. Sondern der "instinktive Verhaltensantrieb" bestimmt menschliches Verhalten zu einem großen Teil, egal wie sehr man sich auch anstrengt, das zu ändern und das Verhalten unter die rationale Kontrolle des Verstandes zu bekommen. So entstehen all die endlosen Anstrengungen, die ihr Ziel niemals erreichen: Auf globaler Ebene sind das zahlreiche Krisenbewältigungsversuche und auf individueller Ebene zum Beispiel das Abnehmen mit einer Diät, gesund leben wollen usw. Die Wissenschaft oder irgendeine andere Autorität gibt vor, was eigentlich das "richtige Verhalten" wäre, aber man bekommt es - egal wie sehr man sich auch anstrengt - nicht hin, dieses "richtige Verhalten" umzusetzen. Ich bezeichne die fruchtlosen Anstrengungen als "Aktionismus". Aktionismus sind Anstrengungen zur Lösung eines Problems, für das keine wirkliche Lösung bekannt ist, weil die tatsächliche Ursache des Problems nicht gesehen wird.
Der Konflikt zwischen den beiden Verhaltensantrieben entsteht, weil die theoretischen Lösungen auf der Ebene des rationalen Verstandes den instinktiven Verhaltensantrieb außer Acht lassen, als würde er gar nicht existieren. Das wissenschaftliche Denken als Weltsicht stellt den Höhepunkt einer evolutionsgeschichtlichen Entwicklung dar, die bereits seit Tausenden von Jahren in Gang ist: der Entwicklung des rationalen Verstandes.